Trost

Trost von Dana Berg


Was ist Hoffnung, was Trost. Ich hoffe auf ein Ende der Pandemie, ich hoffe auf einen Impfstoff, ich hoffe, dass ich nicht krankwerde. Das Hoffen ist eine Annahme, ich gehe davon aus. Ich erwarte nicht, dass etwas davon nicht geschieht. Ich bin recht sicher. Das Hoffen ist einfach. Ohne dieses Hoffen wäre ich nicht durchgekommen, deshalb hat es selbstverständlich sein müssen. Ich musste hoffen, um überhaupt eine Chance zu haben.


Mit Trost ist das anders. Trost suche ich, weil etwas passiert ist. Weil ich mich fühle. Trost ist keine Zukunftserwartung wie die Hoffnung. Trost ist etwas, das ich jetzt benötige. Trost ist Gegenwart.


Was mir während der Pandemie Trost gespendet hat (unvollständig): Das Lied In the Aeroplane Over the Sea von Neutral Milk Hotel. Die Schlussszene von Porträt einer jungen Frau in Flammen. Ein selbstgekochtes Pad Thai. Christian Drosten sagt: »Ich habe Besseres zu tun«. Spaziergänge im Grünen. Die Umfragen, in denen ein Jahr lang die Befragten mehrheitlich angaben, dass sie grundsätzlich einverstanden sind mit den Maßnahmen. Wissenschaft.


Erst im Rückblick denke ich daran, dass es Trost war, was ich dabei empfunden hatte. Ich habe Musik gehört und Worte dazu und wusste: Ich werde verstanden. Es war der unmittelbarste Trost. Ich habe ein Jahr lang jeden Tag gekocht und einmal etwas, das nicht die Märzzutaten hatte, das Kochen hat mich getröstet, der Geschmack später. Es hat mich getröstet, dass jemand die unnötigen Kämpfe vermeidet. Getröstet hat mich Chlorophyll. Getröstet hat mich Vernunft, die ich der Ungewissheit entgegenstellen konnte, eine Form von Kontrolle im Unkontrollierbaren.


Ich möchte in den Arm genommen werden, wenn ich nicht weiterweiß. Ich möchte gehalten werden, wenn ich keine Antwort kenne. Wenn mir der Lockdown zu eng wird, soll jemand meine Hand nehmen. Das ist der nahe Trost. Jemand verspricht mir nicht das Ende der Pandemie, sagt kein Wort darüber, wie die unauflösbaren Widersprüche in der Pandemie aufzulösen wären. Aber jemand ist bei mir. Jemand hält mit mir aus.


Der ferne Trost ist die Welt. Etwas stellt sich heraus, dass mich weiterhin glauben lässt, die Welt wäre mehrheitlich bemüht sich zu retten. Die Schwestern in der Intensivstation mit den auf dem Bauch liegenden, ihre Lungen verlierenden Kranken, die sich gegenseitig die Face Shields freiwischen. Trost ist der Pinguinpullover von Margaret Keenan, sie trägt ihn bei der allerersten Impfung. Trost ist die zur Hand geballte Faust von Christoph Wenisch, dem Leiter der Infektionsabteilung am Klinikum Favoriten in Wien, der beim Impfen den Arm hochreißt, eine Siegerfaust. Trost sind jene, die mit den Aalen in einem japanischen Aquarium per Video sprechen, weil durch die coronabedingte Schließung des Meereszentrums und die damit ausbleibenden Besucherinnen die Fische die Menschen vergessen, was die Fütterung erschwert. Trost ist das Umarmungszelt, das jemand entworfen hat, damit die Bewohnerinnen eines Altenheims ihre Familien umarmen können.


Ich habe um diese Beispiele nicht gebeten. Sie kamen unaufgefordert zur mir. Ich leide nicht ständig an der Welt, in den allermeisten Momenten ist sie mir egal. Doch die Welt spricht mit mir. Ich empfange Nachrichten, kleinste Stückchen, aus denen ich ein komplettes Bild zusammensetzen muss. Wenn in diesen Stückchen kein Trost ist, was sehe ich dann? Wie ist dann ein komplettes Bild? Wie ist die Welt dann, die Pandemie? Ist sie dann ausschließlich ungerettet?


Trost ist ein Damm. Was geschieht, wenn ich keinen Trost empfange? Gräbt sich dann die Traurigkeit, die Verzweiflung, die Ungewissheit in mich ein? Wird dies zu meinem einzigen Blick? Vielleicht ist Trost die Vorstufe zur Hoffnung. Wenn ich in der Gegenwart nicht getröstet werde, wieso sollte ich Zuversicht empfinden. Ich höre ein Lied, ich koche Pad Thai, ich lese von den Aalen. Ich werde getröstet.


(sp)